Route
Versammlungsort: Leipziger Platz, Berlin Mitte
Aufbau ab 14:00 Uhr, Kundgebungsbeginn 15:00 Uhr, Zugbeginn 16:00 Uhr, Eintreffen am Ort der Abschlußkundgebung gegen 20:00 Uhr, Ende gegen 22:00 Uhr.
Die diesjährige Fuckparade wird am Leipziger Platz mit der Startkundgebung beginnen, inmitten der „neuen“ Mitte mit seinen repräsentativ erscheinenden, aber leerstehenden Bürogebäuden, einem Musterbeispiel für die Widersinnigkeit des Subventionsbau- und Mietpreiswahns am Potsdamer Platz. Während sich rings um den Bunker die Mietpreise „nur“ vervierfacht haben, liegen die Forderungen z.B. für das ehemals von ver.di gemieteten Gebäudes an den Parkkolonnaden bei 23.000 Euro – täglich!
Gerade am Leipziger Platz hatte sich nach der Maueröffnung die damals richtungsweisende Berliner Technoszene mit den weltweit bekannten Clubs „E-Werk“, „Tresor“ und „WMF“ etabliert und entwickelt. Dieses Stück Berliner Kultur musste einer senatsforcierten Stadtplanung weichen – ironischerweise präsentiert sich Berlin gerne weiterhin mit diesem subkulturellen Image, obwohl die politisch Verantwortlichen nicht unwesentlich an seiner Verdrängung beteiligt waren und sind.
Der Demonstrationszug zieht nach der Auftaktkundgebung gegen 16:00 Uhr die Leipziger Straße ostwärts vorbei an den eingeebneten Gebäuden des Tresors, die einem Büroneubau der Volkssolidarität weichen mußten. Mit dem Tresor wurde der letzte alteingesessene, zentrale Club in Berlin verdrängt. Nach dem Abriss Mitte April 2005 nannten ihn die Medien fast schon zynisch „Berliner Kulturgut“. Der Tresor ist ein Beispiel für einen Club, der aus der Illegalität entstanden, in der Legalität vertrieben wurde. Dort vereinten sich unterschiedlichste Musikstile, unzensiert und unkommentiert. Der Tresor engagierte sich aber auch sozial und unterstützte NGOs wie die „Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)“ oder auch die Fuckparade.
An Bundesrat und Bundesministerium der Finanzen vorbei passieren wir das alte E-Werk, welches heute als hochgesicherter VIP-Club für elitäre Veranstaltungen dient. Bis 1997 funktionierte es, ähnlich wie das WMF eine Ecke weiter, als Schmelztiegel unterschiedlichster Szenen.
Am Ende der Leipziger Straße befand sich das „Exit“, ein Club gelegen in einem historischen Gebäude, dem Ahornblatt, welches trotz Denkmalschutz einem Hochhaus weichen mußte.
Es geht weiter in die Friedrichstraße. Hier dominieren leerstehende Bürogebäude, subventionierte Investitionsleichen das städtische Bild, reichlich ausgestattet mit Überwachungskameras. Wenn das das Neue Berlin sein soll, ist es keine Vision einer Stadt, in der wir gerne leben.
Die ehemalige Grenze zwischen Ost- und Westberlin am Checkpoint Charlie wird passiert. Im Zuge der Grenzöffnung hat sich viel in der Veranstaltungs- und Clublandschaft Berlins getan. Die faszinierende Vielfalt der Kunst-, Kultur- und Musikinstitutionen, die zu jener Zeit eröffnet wurden, schuf das Bild des „Neuen Berlins“, das unzählige kreative Menschen in seinen Bann und in diese Stadt zog. Aufgrund der unterschiedlichsten alternativen Ideen entstand eine der einzigartigsten multikulturellen Kunstlandschaften der Welt. Diese Kultur ist akut bedroht.
Ostwärts geht es in die Kochstraße, vorbei an prägenden Berliner Medien wie taz und Springer. Gerade die konservative Springerpresse bietet dem von uns kritisierten kommerziellen Mainstream eine mediale Plattform, gleichzeitig polarisiert sie in der gewohnten Doppelmoral gegen die Basis, die Subkultur. Der Leserschaft wird ein Horrorszenario einer vermeintlich nur auf Party fixierten Jugendkultur vorgesetzt, ein sehr realitätsfernes Bild, das dennoch die öffentliche Meinung prägt.
Die Demonstration folgt dem Verlauf der Kochstraße (via Oranienstraße) bis hin zur Adalbertstraße. In der sich Oranien-/ Ecke Alte Jakobstraße befindlichen Bundesdruckerei werden demnächst Schilys biometrische Pässe hergestellt, einer weiteren Ausprägung von Überwachung und Sicherheitswahn, welche soziale und kommunikative Werte ersticken.
Am Oranienplatz befindet sich das ehemalige „Trash“. Das bis auf einen Kaufladen im Erdgeschoß leerstehende Gebäude wurde nach der Räumung der Yorckstraße 59 kurzzeitig von den auf die Straße gesetzten Bewohnern besetzt und schnell wieder polizeilich geräumt. Die ehemaligen Bewohner der Yorckstraße 59 wurden durch die Nutzung leerstehenden Wohnraumes am Ende nicht nur obdachlos, sondern auch überflüssigerweise kriminalisiert.
Der Zug biegt nordwärts in die Adalbertstraße ein und passiert die Waldemarstraße, in der gemeinützige Wohnungsbaugesellschaften auf Druck des Senats Ihre Häuser erst kürzlich an Investoren verkaufen mußten, um eine gesellschaftliche Umstrukturierung des Straßenzuges zu forcieren. Am Bethaniendamm steht das Künstlerhaus Bethanien, welches vorübergehend von den ehemaligen Yorckstraße 59-Bewohnern teilbesetzt wurde.
An der Köpenicker Straße biegt die Demonstration nach Osten ab, um dann nordwärts über die Schillingbrücke am alten „Deli“, jetzt „Maria an der Schillingbrücke“, vorbei auf die Holzmarktstraße zu treffen. Das halb-legale „Deli“ musste im Zuge der Neugestaltung Friedrichshains dem legalen Club Maria weichen. Die vom Ostbahnhof verdrängte Maria an der Schillingsbrücke ist der einzige legale Club im Umkreis, welcher der Neugestaltung Friedrichshains bisher entgehen konnte.
In dieser Gegend waren in den Neunzigern verschiedene Clubs zuhause, z.B. das „Planet“, der „U-Club“ und die „Praxis Dr. McCoy“ unter dem BSR-Betriebsgebäude, das „Deli“ und das „WTF“ auf der Holzmarktstraße, welche ebenfalls innovative musikalische und künstlerische Ausdrucksformen durch Club-Betrieb verbreiteten. Ebenfalls vertreten sind hier alternative Wohn- und Kunstprojekte, wie z.B. „die Köpi“, welche leider auch von Investoren bedroht werden.
Auf der Holzmarktstraße zieht die Demo ostwärts am Ostbahnhof vorbei, am Stralauer Platz nordwärts in die Straße der Pariser Kommune, wo sich vor und unter der Brücke am Ostbahnhof der Ort der Abschlusskundgebung befindet.
Das Gelände des ehemaligen Berliner Ostgüterbahnhofs, auf dem sich mehrere Clubs wie z.B. „Ostgut“, „Casino“, „Maria am Ostbahnhof“, „Nontox“ und „Razzle Dazzle“ befanden, wurde inzwischen komplett eingeebnet. Diese Clubs wurden durch Investorenpläne der Berlin Arena/ Anschutz Entertainment Group verdrängt. Es finden sich jedoch keine weiteren Partner, die sich dem Investitionsrisiko weiterer leerstehender Bürokomplexe aussetzen wollen. Was bleibt ist eine eingezäunte, öde Mondlandschaft.
Die gesamte Strecke wird gesäumt von Sicherheitskameras, welche die Auswüchse des neuen Sicherheitswahns in Deutschland und speziell in Berlin demonstrieren.
Die Gesamtdauer des Demonstrationszuges wird etwa 3,5 bis 4 Stunden betragen.